Lehrarbeit

Vorteil – Lektion 2

Die richtige Anwendung der Vorteilsbestimmung erfordert Fingerspitzengefühl

Vorbemerkungen

Eine der wichtigen Kriterien bei der Beurteilung von besonders qualifizierten Spielleitern ist die richtige Anwendung der Vorteilsbestimmung. Dazu ist »Fingerspitzengefühl« erforderlich. Da das Zentrum des viel zitierten Fingerspitzengefühls nicht in den Fingern, sondern im Gehirn zu finden ist, kann man die richtige Anwendung der Vorteilsbestimmung schulen.

Die nachstehenden Übungen wurden zunächst für Schiedsrichterbeobachter konzipiert. Ihnen sollte verdeutlich werden, dass die Entscheidung, ob die Vorteilsbestimmung angewandt werden sollte, von sehr komplexer Natur ist; denn viel zu oft wurde zu Unrecht im Beobachtungsbogen die fehlende oder nicht korrekte Anwendung der Vorteilsbestimmung bemängelt.

1. Erkennen der Komplexität der Vorteilsentscheidungen

Vorstellen eines Übungstextes (Transparent / Tageslichtprojektor), Unterstreichen der Satzteile, die für oder gegen die Anwendung der Vorteilsbestimmung sprechen. Besprechen / Erläutern der einzelnen Fakten. Pfeile von den Satzteilen zum Kopf des Schiedsrichters ziehen.

Vorlage für Transparent:

Transparent Vorteil?
Abbildung 1 – Vorlage für das Transparent »Vorteil?«

Vorlage für das Lösungsblatt:

Vorteilß – Lösungsblatt
Abbildung 2 – Vorlage für das Lösungsblatt »Vorteil?«

Anmerkungen zum Lösungsblatt

Es ist unproblematisch, die Vorteilsbestimmung anzuwenden, wenn ein Spieler des Platzverein einen Regelverstoß begeht, da unter anderem von den Zuschauern keine Proteste zu erwarten sind. Die Erfahrung mit diesem Arbeitsblatt zeigt, dass etwa 50% der Schiedsrichter diesen Passus anders bewerten möchten. Ihrer Motivation liegt ein Denkfehler zugrunde: Sie möchten nicht als Heimschiedsrichter gelten, vergessen aber, dass bei der Anwendung der Vorteilsbestimmung ja der Gast bevorzugt wird!

Bei dem als »besonders fair bekannten Spieler« ist Vorsicht geboten: Einerseits sollten die Schiedsrichter in jedes neue Spiel möglichst unvoreingenommen hineingehen, andererseits bleibt es nicht aus, dass man den Charakter der Akteure im Laufe der Zeit kennen lernt und damit weiß, wie man richtig reagieren muss, um ein Spiel anstandslos über die Runden zu bringen. Zudem: Bei einem sonst immer fairen Spieler ist die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung eines Foulspiels geringer.

Zu Beginn eines Spieles wird der gute Spielleiter zunächst einmal zeigen, wer das Sagen auf dem Spielfeld hat: Er wird die Vorteilsbestimmung zunächst nur vorsichtig anwenden. Großzügigkeit ist bei der Leitung von Lokalderbys selten angebracht. Die Empfehlung: Lieber einmal mehr pfeifen !

Viele Spielleiter sind der Meinung, gerade im Mittelfeld sei die Anwendung der Vorteilsbestimmung geraten (und unproblematisch). Das ist falsch ! Beim Fußballspiel kommt es darauf an, Tore zu erzielen. Aus diesem Grunde werden Schiedsrichter, die unmittelbar vor einer Torerzielung auf Vorteil entschieden, besonders gelobt. Für Regelübertretungen gegen Angreifer gilt: Je näher dem Tor, umso häufiger die Vorteilsbestimmung anwenden!

Die Platzbeschaffenheit (z. B. hartgefrorener Boden) und das Wetter beeinflussen ebenfalls die Vorteilsentscheidung: Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob ein Spieler bei -20° mit blaugefrorenen Knien auf einem steinharten Platz mit rauher Oberfläche oder an einem strahlenden Sommertag auf einem weichen Rasenplatz zu Fall gebracht wird.

Weshalb vornehmlich Angreifer (Stürmer) von der Vorteilsbestimmung profitieren sollten, wurde vorstehend bereits geklärt. Verteidigende Spieler können einen Vorteil seltener nutzen: Ist eine Mannschaft in die Defensive gedrängt, so ist es für Abwehr meistens vorteilhafter, wenn der Schiedsrichter das Spiel unterbricht: Statt den Ball unkontrolliert aus der Gefahrenzone treten zu müssen, kann sie sich während einer Spielunterbrechung in aller Ruhe wieder nach vorn formieren und einen unbedrängten Angriff starten.

Dass die geschädigte Mannschaft in Ballbesitz bleiben muss, ist natürlich die Grundvoraussetzung für die Anwendung der Vorteilsbestimmung. Neu ist vielleicht, dass das Umfeld (Spieler, Trainer, Zuschauer) die Anwendung der Vorteilsentscheidung mit beeinflussen können (wenn von keiner Seite Unmut laut wird). Diese Behauptung lässt sich am besten im Umkehrschluss beweisen: Wenn es auf dem Spielfeld hektisch wird (z. B. nach der Verhängung eines Strafstoßes, nach einem Feldverweis, nach bösen Verletzungen, bei dauernder Kritik am Spielleiter) gibt es nur eins: Pfeifen, Pfeifen, Pfeifen !

Fazit dieser Übung: Die Entscheidung darüber, ob die Vorteilsbestimmung angewandt werden sollte, ist jeweils von vielen Faktoren abhängig. Der Schiedsrichter muss diese Einflüsse in Sekundenschnelle (!) verarbeiten und eine Entscheidung treffen. Die Faktoren sind zudem auch noch unterschiedlich zu gewichten: Im dargestellten Fall wird die Tatsache, dass das Foulspiel gleich zu Beginn des Spieles begangen wird, wahrscheinlich den Ausschlag zur Nichtanwendung der Vorteilsbestimmung geben.

Kurz gesagt: Die Frage darf nicht lauten »Vorteil – ja oder nein?« sondern »Vorteil – eher ja oder eher nein«.

2. Kennenlernen und Bewerten von Faktoren, die Anwendung der Vorteilsbestimmung beeinflussen

Verbesserung des Fingerspitzengefühls des Spielleiters bei der Anwendung der Vorteilsbestimmung.

  • Ausfüllen eines Arbeitsblattes
  • Diskussion der Ergebnisse

Methodische/didaktische Hinweise: Da es sich bei der nachstehenden Übung nicht um einen rein regelkundlichen Längsschnitt handelt, sondern auch andere relevante Faktoren, welche die Vorteilsentscheidung beeinflussen, angesprochen werden (wie zum Beispiel »Junger Schiedsrichter«, »Lokalderby«, »Kampfmannschaft«), wird auf die Eigentätigkeit der Lernenden bei der Suche nach den verschiedenen Kriterien verzichtet.

Das Lösungsblatt enthält keine Erläuterungen. Sollte jemand zusätzliche Erklärungen wünschen oder benötigen (zum Beispiel bei den Fragen, welche die Psyche von Jugendlichen tangieren), setzt er sich am besten mit mir in Verbindung.

Vorlage zum Arbeitsblatt:

Vorteil – eher ja oder eher nein ?

Voraussetzung eher ja eher nein
1. Leichtes Foulspiel    
2. Schweres Foulspiel    
3. Gegner wird verletzt    
4. Sonniger Tag    
5. Regenwetter    
6. Gefrorener Boden    
7. Große Wasserlachen auf dem Platz    
8. Gepflegter Rasenplatz    
9. Schlackenplatz    
10. Kunstrasen    
11. Junger Schiedsrichter    
12. Spieler kennen SR. seit langem    
13. 1. Spiel des SR. in dieser Klasse    
14. SR. hat Konditionsschwächen    
15. Ca. 1.-10. Spielminute    
16. Mitte der 1. Halbzeit    
17. Gegen Spielende    
18. Spielstand 1:1    
19. Spielstand 5:1    
20. Im Mittelfeld    
21. In Strafraumnähe    
22. Im Strafraumeck    
23. Freundschaftsspiel    
24. Lokalsderby    
25. Letztes Punktspiel: 7. gegen 9.    
26. Abstiegsspiel    
27. Spiel der Schiedsrichter    
28. Oberligaspiel    
29. Spiel der 2. Kreisklasse    
30. Spiel der "Alten Herren"    
31. Technisch versiertes Team    
32. Kampfmannschaften    
33. A-Jugendspiel    
34. B-Jugendspiel    
35. E-Jugendspiel    
36. Nach einem Strafstoß    
37. Nach einem Feldverweis    
38. Bei häufiger Kritik am SR.    
39. SR-Assistent zeigt Foul an    
40. Bei einer Abseitsstellung    
41. Viele Zuschauer    
42. Foul gegen die Gastmannschaft    
43. Foul gegen Spieler der Heimmannschaft    
Tabelle 1 – Vorteil – eher ja oder eher nein?

Lösungen:

Eher ja: 1, 4, 8, 12, 16, 17, 19, 21, 23, 25, 28, 31, 34, 35, 39, 42

Eher nein: 2, 3, 5, 6, 7, 9, 10, 11, 13, 14, 15, 18, 20, 22, 24, 26, 27, 29, 30, 32, 33, 36, 37, 38, 40, 43,

Die Anwendung der Vorteilsbestimmung ist unabhängig von der Zahl der Zuschauer (41)